Poor Economics - ein Plädoyer zum Verständnis der Armut, Abhijit V. Banerjee, Esther Duflo: Aufschlussreiche Erkenntnisse aus "randomisierten kontrollierte Studien". Moskitonetze, Impfungen und der gesunde Ernährung zahlen sich in höherem Einkommen aus. Durch Informationsmangel und Bequemlichkeit verpassen Arme jedoch oft eine bessere Zukunft, während Menschen in reicheren Ländern mit Gesundheitsprävention und Altersvorsorge nahezu zu ihrem Glück gezwungen werden. Arme haben wenig Zugang zu Information, sind jedoch alltäglich vor existenzielle Entscheidungen gestellt. Mit Mikrokrediten wird das Kleinunternehmer gefördert - wirklich gefragt wären hingegen sichere Arbeitsplätze.
Ein Schulsystem mit elitär-hoher Erwartung lässt die Mehrheit der Kinder stehen, überheblich-gelangweilte Lehrer vernachlässigen den Schulbetrieb, gelangweilte Schüler bleiben zuhause. Solange Mädchen nach der Schule keine andere Perspektive haben und zur Altersvorsorge nur männlichen Nachkommen zählen, sind Teenager-Schwangerschaften und eine hohe Kinderzahl ökonomisch nachvollziehbar.
The Corportation that Changed the World: How the East India Company shaped the modern multinational, Nick Robins, Pluto Press London, 2012: Eine private Handelsgesellschaft wendet den Fluss des Wohlstands zugunsten Grossbritaniens. Über Jahrhunderte akkumulierte sich Gold und Silber in Bengalen, bis die East India Company sich 1757 staatliche Macht erkämpft und dieser Pionier einer juristischen Person gewissenlos seine Interessen durchsetzt. Als bis zu 10 Mio Inder verhungern, fallen die Aktien; zur Rettung erlässt die britische Krone Steuervorteile für die Company, was zur Tea Party und zur Unabhängigkeit der USA führt. Nach Adam Smith's Kritik muss sie 1813 ihr Monopol zugunsten freier Händler aufgeben, die fleissig das Opium nach China schiffen. Der illegale Drogenhandel wird zur wichtigsten Einnahmequelle. Nach blutigen Aufständen übernimmt 1857 die britische Krone in Indien die Regierungsverantwortung von der Privatunternehmung. Der Rauschgifthandel hat mittlerweile das alt-ehrwürdige chinesische Kaiserreich zerfressen, Grossbritanien hat Hong Kong anektiert und die Liberalisierun der gewinnbringenden Droge erkämpft. Während ich mich heute Frage, wie globale Ungerechtigkeit ausgeglichen werden kann, ist zu bedanken, dass der europäische Wohlstand auf den gewaltsamen Errungenschaft einer der ersten Aktiengesellschaften basiert.
Why the West Rules - For Now, Ian Morris 2010: Weshalb und wie sich die westliche Zivilisation entwickelt hat - Menschheitsgeschichte bis in die Steinzeit. Erfolgsentscheidend ist die Fähigkeit der Energieausbeute, der Organisation, der Informationsverarbeitung und der Kriegsführung. Die Römer und chinesische Kaiserreiche sind an Grenzen gestossen, die dank der (kurzfristig-verfügbaren) Kraft fossiler Brennstoffe überwunden wurden. Entscheidend war die innovations-begünstigende Vielfalt Europas - unter katholisch-konservativer Herrschaft hätte die industrielle Revolution kaum stattgefunden.
Global Economic History - A Very Short Introduction, Robert C.Allen, Oxford University Press 2011
Why Nations Fail, Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut, Daron Acemoglu und James A. Robinson 2012: Extraktive Institutionen sind wachstumshemmend, inklusive - d.h. demokratisch-liberale - Institutionen bringen Wachstum - so einfach ist die Theorie des Ökonomen. Interessant ist die Überlegung, dass nur eine chancen-offene Demokratie schöpferisches Wachstum zulässt. Hat eine vom bisherigen (ggf. ausbeuterischen) Wirtschaften profitierende Elite zu viel Macht, wird sie zur Erhaltung Ihrer Privilegien Innovation unterdrücken. Hinterfragen möchte ich jedoch die (moralische) Überlegenheit der "inklusiven" Institutionen Europas und Nordamerikas. Ihre Entstehung wird ziemlich parallel zum Kolonialismus beschrieben. Heute kultivieren Regenten in Afrika das kolonial-extraktive Wirtschaften weiter. Das kann man nun kritisieren kann; doch inwiefern beruht der angeblich inklusiv-moralisch erarbeitete Wohlstand in Europa & Nordamerika auf global extraktiver Geschäftspraxis mit extraktiven Handelspartnern?
Geldmacht China – wie der Aufstieg des Yuan Euro und Dollar schwächt, Frank Sieren, Carl Hansen Verlag München, 2013: Würde China seine Währung aufwerten, würde die Wirtschaft der USA wieder wettbewerbsfähiger, die Weltwirtschaft ausgeglichener. Doch China richtet sich nicht nach Forderungen vom Ausland; entgegen gängiger ökonomischen Theorien war und ist China erfolgreich, insbesondere in und seit der Asienkrise (Ende 90er Jahre). Für die chinesische Führung ist die Argumentation von IWF weniger entscheidend als der Druck von Innen: Durch die Währungsaufwertung würde die Kaufkraft der chinesischen Konsumenten steigen, die Gesellschaft würde ein Stück gerechter. Die Herleitung von Frank Sieren, wie sich Währungen global entwickelt haben, ist interessant. Er schliesst mit dem Ausblick, wie die chinesische Währung nun durch Marktöffnung den US-Dollar ablösen könnte. Ich halte diese währungstheorischen Ratschläge jedoch für weniger entscheidend als die Konsequenzen, die sich eine gesteigerte Kaufkraft der Chinesen ergeben. Es ist eine Frage der Zeit, wann China in den Genuss günstiger Energierohstoffe kommen will und damit der billigen fossilen Energieversorgung im verwöhnten Westen ein Ende setzt.
Staat oder Markt - die Schlüsselfrage unseres Jahrhunderts, Daniel Yergin, Campus Verlag Frankfurt am Main, 1999; Die Wirtschaftskrise von 1933 zerstört das Vertrauen in den Markt, sodass nach dem 2.Weltkrieg Marktregulierung und Staatsunternehmen im Aufwind sind. In den 80er Jahren forciert die Iron Lady Thatcher die Privatisierung, worauf auch die sowjetische Machtelite ihre soziale Verantwortung niederlegt und sich als Oligarchen feiern lassen. In Asien erkennen Staatsführer, dass sie mit staatlich kontrollierten Konzernen und billigen Arbeitskräften viel Geld verdienen können. Die Überschuldung zwingt den Staat in Europa und den USA zum Rückzug. Doch wenn der Markt seinen Nutzen exklusiv beschränkt und das Gespenst roher Gier heraufbeschwört, dann wird der Ruf nach staatlicher Intervention wieder lauter.
Geld & Nachhaltigkeit, Club of Rome-Berich / Bernard Lietaer et.al, 2012: "We will never create sustainability while immersed in the present financial system. There is no tax, or interest rate, or disclosure requirement that can overcome the many ways the current money system blocks sustainability." (Dennis Meadows im Vorwort) Die komplexe Wirtschaft ist mit linearen "Gesetzen" kaum vorhersehbar und lenkbar. Die Menschheit sollte von der Evolution lernen, die auf Mutation und Selektion basiert. In der Komplexität braucht es Vielfalt, um ausweichen zu können, wenn ein System - wie das aktuell-monopolistische Geldsystem - einmal mehr versagt.
Europa im Erdölrausch, Daniele Ganser, 4.Auflage 2012: Die Vermutung, dass die Erdölwirtschaft ökonomisch und ökologisch problematisch und nicht nachhaltig ist, ist naheliegend. Hier wird sie mit historischen Fakten belegt. Interessant insbesondere das Ende vom Bretton Woods Währungssystem und der Aufbau Saudi-Arabiens zur Sicherung vom US-Dollar-Kreislauf.
Business as usual - Krise und Scheitern des Kapitalismus, Paul Mattick, 2012: Logische Erklärung der aktuellen "Schuldenkrise". Gravierende Wirtschaftskrisen sind unvermeidlich in der Geschichte des Kapitalismus. Erst in den letzten 70 Jahren konnten drohende Rezessionen mit keynsianischen Staatsausgaben mehr oder weniger erfolgreich ausbalanciert werden. Wachsende Staatsschulden sind die Konsequenz. Wenn Staaten sparen müssen, sind "Konjunkturpakete" nicht mehr möglich, und die aufgestaute Rezession lässt sich kaum aufhalten...
Bekenntnisse eines Economic Hit Man - Unterwegs im Dienst der Wirtschaftsmafia, John Perkins, 2004: Ob die Macht über das Schicksal von Entwicklungsländern mittels Staatschulden von den Vereinigten Staaten Amerikas im Zusammenspiel mit internationalen Banken und Grosskonzernen gezielt oder unbewusst aufgebaut wurde, mag hinterfragt werden. Die Entwicklung hat armen Länder jedenfalls weniger Erfolg gebracht als internationalen Anlagebauern, und das Konzept illegitimer Schulden findet zunehmend Anerkennung.
Poor Economics - Plädoyer für ein neues Verständnis von Armut, Abhijit V. Banerjee / Esther Duflo: Aufschlussreiche Ansatzpunkte, um die Lebensumstände der Ärmsten zu verbessern: Ein Bildungssystem, das nicht eine Elite aussiebt, sondern alle weiter bringt. Und Gesundheitsprävention: Mückennetze und Trinkwasserentkeimung statt Antibiotika. Arme brauchen nicht wirklich mehr, sondern gesündere Nahrung; aber die Versuchung von schmackhaft-ungesundem ist grösser. Arme müssen bei geringer Bildung und Informationsverfügbarkeit ständig lebenskritische Entscheide treffen, die den Menschen in Europa von einem funktionierenden Sozialstaat abgenommen werden. Mikrokredite können Talentierte beflügeln - doch wichtiger wären sichere Jobs - nicht jeder ist der geborene Unternehmer und mag sich als White Tiger alleine durchlagen.
Eskander von Siba Shakib: Ausnahmsweise ein Roman, das Schicksal eines Mannes erzählt das Schicksal einer vom Erdöl geprägten Nation, anfangs stolz und vielversprechend, dank ausländischer Intervention schlussendlich chaotisch, hässlich, verächtlich.
Collapse - how societies choose to fail or succeed, Jared Diamond, 2005: Die Vergangenheit zeigt uns, wie vergänglich Hochkulturen sind. Zumindest wenn wir unsere Lebensgewohnheiten nicht ändern und an den Rahmenbedingungen der Umwelt ausrichten, wäre es erstaunlich, wenn nicht auch die Tage der fossilen Wohlstandsgesellschaft gezählt wären.
Selling the Soviet Empire by Alfred Kokh, 2004: In diesem Kontext auch noch interessant - wie Staatsunternehmen zugunsten von Oligarchen privatisiert werden, es geht auch wiedermal um Öl und Gas.
Gefährdetes Ostasien, Lorenz Stucki, 1959: Eine Welt mit reicher Vergangenheit voll von Gegensätzen und Problemen, faszinierend in ihrer Buntheit, beängstigend in ihrer rasch wachsenden Bedeutung, bedroht von Kommunismus und bedroht von westlichem Materialismus, ringt um eine Zukunft. "Unter den Problemen unterentwickelter Länder wie Südvietnam stellen wir Westler uns gewöhnlich nur die Probleme der Wirtschaft und Technik vor. Doch Wirtschaft und Technik sind in einem "Gebäude", das ein Volk sich schafft und in dem ein Volk lebt, nur ein oberes Stockwerk, das man nicht errichten kann, ohne erst die Fundamente und das Parterre zu bauen. (Wobei der Ausdruck "unterentwickelt" voraussetzt, dass der Westen für die ganze Welt gültiger Masstab der Entwicklung ist - woran man füglich zweifeln kann, woran aber gerade die "unterentwickelten" Länder selbst zu allerletzt zweifeln.) Die Konzentration auf die oberen Stockwerke, die am meisten imponieren, schafft überall die gefähliche Tendenz, die Fundamente zu vernachlässigen, ja zu überspringen; Universitäten zu bauen, bevor man Volksschulen hat, mit Düsenflugzeugen zu hantieren bevor noch der Eisenpflug den Holzpflug ersetzt hat, eine demokratische Verfassung zu dekretieren, bevor noch das Volk weiss, was ein Staat ist."
Schwarzes Eis, Sergej Lochthofen: Stalins Terror erfasst auch überzeugte Kommunisten. Obwohl er nur mit Glück das sibirische Arbeitslager überlebt, engagiert sich Lorenz Lochthofen in der DDR für die kommunistische Wirtschaft. "Leistung, Gewinn, Eigeninitiative" - die Ideale und der Fleiss sprechen für Ihn - doch der Widerstand der "russischen Freunde" ist zu gross. Eine Lebensgeschichte mit viel Leid und viel Hoffnung.
Kartoffeln und Computer, Märkte durch Gemeinschaften ersetzen, P.M.: Nachbarschaftsmodelle mit landwitschaftlicher Eigenversorgung. Link zu BBC-Studie: Je nach Land wünschen sich 8-40% der Bevölkerung ein anderes Wirtschaftssystem. (Erhebung 20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, zumindest die Russen sehen die neue kapitalistische Freiheit kritisch.)